es gibt diese namen / es gibt diese wut
Beitrag der Studierenden der Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst Wien –Laura Bärtle, Hannah Bründl, Anouk Doujak, Maë Schwinghammer
//triggerwarnung sexualisierte gewalt und victim blaming
// text & produktion: hannah bründl, anouk doujak, laura bärtle, maë schwinghammer
//musik: dean ruddock
//sprecher*innen: rosalia warnke (das ich), lea taake (person 1), josephine hochbruck (person 2), leon rüttinger (person 3)
// post-produktion: samson fischer
//anmerkung: die regieanweisungen und die szenen-nummerierung sind nicht zu lesen. die interpunktion richtet sich nicht nach der grammatik, sondern gibt lesenden hilfestellung zur textintention. die smileys stehen als marker für creepy anmache.
//rollen:
ich
=
rot
alles andere ist nach der reihe nach aufzuteilen:
person 1,
person 2,
person 3.
SZENE 1 (beginn. stimmen unterhalten sich über einen vorfall auf einer party, man hört fetzen davon. eine person weiß etwas, sagt aber nichts konkretes.
eine weitere stimme (rot) spricht emotional und leicht ängstlich, bricht immer wieder ab. die anderen scheinen sie nicht zu hören. sie spricht einfach vor sich hin, bis der letzte satz irgendwann aus ihr herausbricht.)
-
da ist was vorgefallen
-
und dann ist dort -
- ich
-
was?
-
ja, also, da war ja diese party
- ich kann, ich kann
-
aha
-
ne, ja …
- ich kann nicht -
-
die anderen, die waren auch dort…
- kann nichts sagen
-
ja, also da war schon was…
-
auf der party?
-
auf der party.
- ich
-
ja also … er war auch da.
-
ich kann jetzt nicht für sie sprechen, aber
- nicht
-
sie war aber auch da
- ich
-
er war aber auch auf der party
- ich kann nicht
-
das war schon echt -
- es ist
-
ich würd ja gern, aber eigentlich darf ich dir ja nicht sagen was -
- dort
-
und dann hat sie mich angerufen und wir sind …
- ICH KANN ES NICHT SAGEN SONST -
SZENE 2 (wir sind auf der party)
-
es ist ja total wichtig, hier auf der party zu sein.
-
es ist total wichtig
- es bringt mich weiter
-
es bringt mich wohin
-
hier ist, wo alles passiert
-
wo die verträge gemacht werden
-
wo die visitenkarten ausgetauscht werden
-
wo die agenturen gefunden werden
- es bringt mich weiter
-
es ist wichtig
-
es schadet sonst deiner karriere
-
du hast keine wahl
-
bier oder spritzer?
-
ich sage jetzt nicht, man verpasst etwas
-
ich sage jetzt nicht, zum autorin sein gehört networking dazu
- zum autorin-sein gehört networking dazu
-
networking ist das um und auf
-
networking ist die mutter der literaturbranche
- meine mutter rät mir, mich vor den prüfungen zu schminken
-
mich vor den lesungen zu schminken
- ich solle mich schminken, falls männer dort sein werden
-
es gebe männer aus der verlagsbranche
-
agenten?
-
meine mutter kontrolliert mein make-up vor dem ausgehen
- magst du dir nicht ein wenig die haare bürsten, fragt sie.
- nur ein wenig wimperntusche, du lässt dich so gehen, sagt sie.
-
weißt du wer das da ist?
-
jemand ist immer in einer ecke
-
es gibt ecken in der welt
-
sie stehen im licht
-
sie stehen allein oder zu zweit
-
sie stehen hintereinander
-
sie stehen eigentlich nicht alleine
- es ist wichtig, nicht alleine zu stehen
-
es ist wichtig, zu stehen
-
es ist wichtig, richtig zu stehen
-
bist du auch eingeladen?
-
eingeladen zu sein, zeigt etwas
-
eingeladen zu sein, bezeugt etwas
-
wer bist du, wenn du nicht eingeladen wirst?
-
bier oder prosecco?
-
warst du nicht auch bei…?
-
wir haben uns schon mal …
-
ich erinnere mich gerade leider nicht, tut mir leid. bin auch echt schlecht, was namen angeht.
-
ein hübsches gesicht vergess ich aber nicht so schnell ;)
-
eine gruppe zieht weiter ohne sich zu verabschieden
-
die gehen zu einer weiteren feier
-
der feier, auf der der, der die, die die ihm…
-
die anderen suchen die anderen.
- die anderen sind immer die anderen...
-
gehst du heute abend noch zu …?
-
es gibt da diesen stammtisch …
-
es gibt da diese gruppe …
-
es gibt da diese gruppe am stammtisch.
-
aber du bist nicht eingeladen.
SZENE 3 (gespräch, rückblickend auf party)
- wir sind dann zu ihm
-
also, ich kann dir nicht sagen, was genau
- also, wir haben uns kennengelernt, weil er keinen filter mehr hatte und dann
- wir haben über die lesung gesprochen
-
also, da lesen eigentlich nur studierende
-
eigentlich nur studenten
-
studenten, meinte ich
-
eigentlich meinte ich nur die studenten
-
die musik war eigentlich eh scheiße, aber dann -
- wir sind dann noch zu ihm und dort -
-
die dort in der ecke, ich glaub, sie hat veröffentlicht im -
-
ecken gibt es viele
- und bei ihm hat er mich dann -
-
die pille danach wirkt bis zu drei tage
-
hast du für den call eingesandt?
- sie wirkt bis zu 3 tage
-
die frist endet in 3 tagen
-
bis zu drei tage, am besten aber innerhalb von 12 stunden
-
du darfst den call nicht verpassen, diese zeitschrift von name macht sich so gut im lebenslauf
- sie wirkt am besten innerhalb von 12 stunden, das habe ich auf netdoktor gelesen. manche präparate wirken aber auch bis zu 5 tage
-
also, du würdest dann so zwischen 15 und 20 minuten lesen
- der apotheker hat mich so angeschaut und dann hat er mich gefragt, wie.
-
man kann sich ganz gut denken, bei welchen preisjurys man ein pferd im rennen hat
- ab 5 tagen ist es schon eine abtreibung
-
aber vielleicht verlängern sie die frist nochmal
-
ich kenn da wen, das geht sicher
-
da geht schon was
- ein bisserl was geht immer.
SZENE 4 (wie man autor*in wird)
-
ich werde aufgenommen
- ich habe mich gehen lassen, ich werde zum studium zugelassen
-
und du studierst da jetzt autor oder was
-
komme ich dann in deinem roman vor?
-
autor kann man doch nicht lernen!
-
kann man aber autorin lernen?
-
wenigstens in der widmung!
-
also, ich denke ja!, jetzt ganz poetologisch
-
wirst du dann der nächste weibliche shakespeare oder was
- in der uni lerne ich, was "prekär" bedeutet
-
zuhause google ich, was “förderungsbedürftig” bedeutet
- die anderen zitieren und ich sage nichts
-
budget hätten wir halt keins
-
budget gibt es nicht – “budget”
-
budget – niemand hat hier budget
-
“budget”
-
eine aufwandsentschädigung? fahrtkostenerstattung? fahrtkostenpauschale? freigetränke? spendenhut?
-
warum fragst du überhaupt?
-
also, die letzte war da nicht so kompliziert wie du
-
gehen wir kaffee trinken, schade, du musst arbeiten, gehen wir ohne dich
-
wir haben leider keine andere möglichkeit gesehen, als -
-
die muss ja immer arbeiten
-
mit der kann man ja keinen spaß haben
-
die ist ja noch so jung
-
die ist ja immer so ernst
-
du sollst lächeln, wenn du leute um geld bittest!
-
schau doch nicht so unfreundlich!
-
du lässt dich doch so gehen-
-
denkst du deine texte seien einen fördertopf wert?
-
ein freigetränk vielleicht?
-
da finden wir sicher eine andere lösung… ;)
-
aber das ist ja auch schon super für dich, so eine veröffentlichung
-
einen vorteil hast du ja:
-
frauen finden immer ihre wege zu den verlegern. die waffen der frau …!
-
diese jungen frauen sind aber zu riskant für unseren verlag
-
die mit ihren erfahrungen
-
autofiktion nennen sie das ja jetzt
-
das ist frauenhausliteratur. das ist was für leser von dietmar dath. das ist was für leserinnen von juli zeh.
-
das ist genau das gleiche. das ist longlist. das ist preisverdächtig. aber das ist von einer frau. das will doch keiner lesen!
-
bei den jungen frauen weiß man noch nicht, wer eine eintagsfliege ist
-
wer dann wieder aufhört mit dem schreiben
-
bei wem es einfach so eine phase war
-
das ist uns zu riskant, da lassen wir die finger von
-
wir lassen die finger davon
-
können wir uns hier bitte auf eine andere terminologie einigen?
-
zu sagen “ich fühle”, ist ja bitte wirklich unwissenschaftlich
-
was soll denn bitte das
-
wir sind hier in der textbesprechung.
- weinen tue ich nur danach
-
hier gibt es eine strenge terminologie
-
da kann man nicht so sentimental formulieren
-
du, wir haben jetzt nochmal nachgesehen, dein text ist leider zu lang für uns
-
ja, sorry auch, dass du den text jetzt extra geschrieben hast
-
dein text, der funktioniert einfach nicht
-
ja, sorry auch, aber, dein text ist leider zu schwer
-
dein text ist leider zu zynisch, denkst du eigentlich wirklich so?
-
no offense, aber junge mädchen sollten halt nicht so zynisch sein
-
ja, sorry nochmal.
-
hast du das neue buch von name gelesen? das nenn ich sprachgewalt
-
aber für mädels ist das eigentlich eh nichts
-
das ist nicht geeignet für mädels
-
du willst ja nicht in die schublade hysterisch geschoben werden oder?
-
die zieht nicht
- wie lange muss ich noch "mädchen" sein?
-
ich will jetzt nicht unsensibel sein, aber ist dir das wirklich passiert?
-
narben sind sexy im betrieb, das hat potential.
-
aber sei kein opfer.
-
mit opfern kann man nicht arbeiten, die sind noch zu wütend.
-
mit denen will eh niemand arbeiten
-
man braucht abstand für gute literatur.
-
literatur ist rein von allem weltlichen.
-
sie ist rein von anschuldigungen.
-
und wenn, dann nur subtil
-
so subtil, dass nur du es verstehst
-
hast du das verstanden?
-
also um es einfach zu machen: wenn du als frau über missbrauch schreibst, wissen alle, es geht um dich.
-
und dann will niemand mehr mit dir arbeiten
-
weil sie dann anders mit dir umgehen müssen
-
netter sein müssen
-
sie dürfen dich nicht mehr attraktiv finden
-
es gibt nämlich die attraktiven frauen, die fräuleinwunder
-
und dann gibt es die klugen frauen, die was im kopf haben
-
sie müssen rücksichtsvoll sein und dich ernst nehmen
-
bestimmte witze gar nicht erst machen, wenn du dabei bist
-
“Mit ihrer Figur kann sie alles tragen. Sogar den Müll runter!” ;)
-
nicht mehr über bestimmte witze lachenm wenn du dabei bist
-
du wurdest missbraucht.
-
erzähl doch mal.
-
ist das nicht übergriffig?
-
übergriffig?
-
übergriffig ist es, wenn ich zum beispiel das mache. (pause).
-
oder das. (pause).
-
aber “So ist die Literatur.”
-
(kurze pause)
-
he, weißt du schon das neueste?
-
rat mal wer jetzt mit wem zusammen ist
-
ach! dann wundert es mich nicht, dass sie in der zeitschrift veröffentlicht wurde!
-
dann wundert es mich nicht, dass sie diesen wettbewerb gewonnen hat!
-
er ist ja soviel älter
-
die jury sitzt sicherlich bei ihr daheim zum kaffee
-
sie backt kekse für die jury!
-
er verbessert sicher alles, was sie schreibt
-
ihre texte sind ja so schlampig gearbeitet!
-
die kann doch gar nicht schreiben, die kann doch einfach auch handwerklich nichts!
-
er holt sie jetzt zu seiner lesereihe
-
er holt sie jetzt zu seiner agentur
-
er gibt ihr jetzt noch ein paar krümel ab,
-
und sie ist jetzt sein püppchen, wie courtney love zu kurt cobain
-
moment, ich hab gelernt, man darf keinen “Wie-Vergleich”…
-
moment, die schreibschule hat uns vor dem “Wie-Vergleich” gewarnt
-
moment, der “Wie-Vergleich” ist doch verboten
- ja. aber...
-
“Als wäre es ein Verbrechen, im literarischen …”
-
“Literatur kann und soll Grenzüberschreitung sein.”
- ja eh, aber dann...
-
…bleibt nichts übrig?
-
schon, aber es gibt halt namen...
-
...die nicht fehlen dürfen?
-
ja, man braucht halt noch namen, die ziehen, die leute bringen.
-
headliner.
-
stars.
-
hauptdarsteller.
-
fehlen tun halt dann die namen der anderen
- „Und genau so soll das sein (so soll das sein so macht es Spaß) /es ist ein Segen.“
SZENE 5 (verteidigungsrede der personen 1, 2 und 3 für den täter)
-
ach, das ist doch die, die…
-
die behauptet hat.
-
die da drüben?
-
ja, genau. die.
-
ach, der hat die doch…?
-
was? aber der sieht doch so unmännlich aus
-
was? aber der sieht doch so schmächtig aus
-
was? aber der sieht doch nicht wie so jemand aus
-
ich habe ja gehört, die wollte das auch
-
wundert dich das? der ist ja auch ein fescher mann, da muss man sich schon geschmeichelt fühlen
-
so männlich
-
so kantig
-
warum will die eigentlich immer das opfer sein?
-
warum will sich die immer aufspielen?
-
früher hat man sich noch gefreut, wenn man den männern gefallen hat. und vielleicht tut es ihm ja leid.
-
er hat wahrscheinlich nicht gemerkt, dass sie schläft.
-
also zu mir war er immer nett.
-
ich weiß ja nicht, was sie falsch gemacht hat.
-
das waren bestimmt nur die drogen!
-
das war bestimmt nur ein missverständnis, fehlgelaufene kommunikation
-
viele mögen es ja auch so.
-
sie braucht halt auch die aufmerksamkeit.
-
was will man mit 20 schon zu erzählen haben.
-
also, er hat sein debüt ja schon mit 20 veröffentlicht
-
der war ein wunderkind
-
der war hochbegabt
-
der war immer so zielstrebig
-
das hat man schon im kindergarten gesehen, dass aus dem mal was wird!
-
ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass der sowas-
-
er muss sich ja um seine familie kümmern
-
sie ist einfach so ein junges dirndl, männer wollen ja immer junge frauen, das ist biologisch vorbestimmt
-
das ist doch die biologie
-
das ist die natürliche hierarchie
-
der jagdinstinkt
-
ihr wart ja auch betrunken und da kann sowas passieren.
-
wenn du träumst
-
kann schon mal passieren
-
wenn du schläfst
-
eben, er ist ja auch berühmt.
-
wirklich berühmt
-
und wirklich talentiert.
-
und sympathisch.
-
und links.
-
und hat familie.
-
und er kennt auch den und den, und die und die, und der und die sind befreundet, der kann sowas gar nicht gemacht haben. allein, weil die so cool sind.
- und man muss halt auch einmal ein bisserl spaß verstehen können!
SZENE 6 (man trifft den täter nach der party wieder)
- der name ist jetzt dozent bei uns
- man sieht sich immer zweimal
- und er ist jetzt dozent bei uns
-
man sieht sich bei wettbewerben, bei werkstätten
-
man sieht sich in den jurys und auf den schreibschulen
-
man sieht sich
-
man sieht sich auf den partys und den after-partys
-
man sieht sich in den unis
-
in den clubs
-
in den wohnzimmern
-
in den residencies
-
im backstage
-
bei den stammtischen
-
auf dem sofa da drüben
-
bei den meetings
-
vor dem sonnenaufgang
-
man sieht sich und weiß voneinander
- was weiß man?
-
zumindest, wer seine texte selbst schreibt
-
zumindest, bei wem etwas dahinter steckt
- zumindest, wie sich seine hände plötzlich auf deiner taille angefühlt haben
-
das war doch nur ein witz!
-
hab dich nicht so
-
das war doch nur spaß!
-
sag mal, hast du nicht neulich bei mir deinen bh …?
-
nein?
- willst du trotzdem noch was trinken gehen?
SZENE 7 (es verdichtet sich)
-
weißt du, was ich an frauen voll süß finde?
-
weißt du, was mich mega anmacht?
-
ich mag mädchen mit zahnspange
-
ich mag mädchen mit zahnlücke
-
ich mag mädchen mit sommersprossen
-
ich mags, wenn meine mädels lieb aussehen
-
ist das nicht die, die damals…?
-
“Nein, die Hübschere.”
-
warn witz, ich bin sapiosexuell
-
ich lese quasi nur noch bücher von frauen!
-
also, mit einer dummen frau, da würd ja bei mir nichts laufen
-
“Sehr geehrte Frau. Leider muss ich Ihnen mitteilen”
-
schöne bluse. ;)
-
aber ich sehe da potential! versuchen sie doch nächstes mal wieder. vielleicht auch etwas bündiger dann. sie haben ja eigentlich eine sehr gewinnende persönlichkeit!
-
schöne bluse. ;)
-
bist du ein mann? also, deine hauptfigur?
-
“Aber Schreiben Sie auf jeden Fall weiter! Ich sehe da Potential.”
-
“Aber ein besserer Text als der letzte müsste es schon sein”
-
“Nach dem Lesen Ihres Textes, war es für mich zu 95% klar, dass Sie eine sehr junge Frau sein müssen.”
-
bist du eine frau? sind wir per du? schreibst du als du selbst?
-
ist dir das wirklich passiert?
-
erzähl doch mal.
-
aber jetzt auch biologisch?
-
erzähl doch jetzt mal.
-
verarbeitest du da deinen vaterkomplex?
-
kannst du vielleicht ein bisschen lauter sprechen?
-
darf ich das herumsprechen?
-
wir machen aus dir die neue lena dunham
-
deine wunden lassen sich super vermarkten
-
wir brauchen nur ein netteres porträtfoto von dir
-
vielleicht mit der hübschen bluse von neulich!
-
weißt du, was autofiktion bedeutet?
-
kannst du dir nicht vorstellen, daraus einen roman zu machen?
-
kannst du dir nicht vorstellen, über ein aktuelles thema zu schreiben?
-
ach, das ist so ein nischen-thema
-
die leser interessieren sich dafür im moment nicht
-
die leserinnen interessieren uns nicht
-
weißt du, wer im kunstsenat ist?
-
weißt du, wer die institutionen leitet?
-
also, das ist jetzt aber haarspalterei! es muss auch mal genug sein!
-
deine haare sind so dicht
-
ich meinte, deine texte sind so dicht
-
darf ich mal anfassen?
-
deine texte sind so schwierig
-
beim büchnerpreis verzeihen sie sowas nicht!
-
beim bachmannpreis wollen sie klassische romanauszüge
-
der open mike ist eben das nadelöhr, wo durch muss, wer vom schreiben leben können will
-
aber mit nadelöhren kennst du dich ja aus ;)
-
das motiv haben wir ja schon so oft gehört, das ist ausgelutscht ;)
-
ausgelutscht
-
feminismus? also das können wir nicht gut verkaufen
-
feminismus? also genial, das ist ja gerade super im trend
-
ich kann dir als frau nur empfehlen, dich mal mit feminismus zu beschäftigen.
-
schreib da doch einen text drüber!
-
ist das ein label?
-
kann man das kaufen?
-
kann man sich das auf t-shirts drucken?
-
ich wüsste nicht, wie ich dein manuskript dem verleger vorstellen sollte
-
aber du hast halt noch zu wenig profil, mach doch mal bei einem wettbewerb mit
-
also, du hast so ein schönes profil
-
so jungen autorinnen zahlen wir eigentlich nichts, vielleicht gibt es aber freigetränke ;)
-
du bist aber stur
-
kein wunder, dass dich keiner anschaut
-
kein wunder
-
wunder
-
kein wunder, dass dich keiner will
-
du bist so wunder
-
wunderschöne augen
-
du machst sicher “auch zuhause eine gute figur, obwohl man diese gerade nicht sieht“
-
aber schau, da ist doch eh eine frau auf der bühne!
-
ich erinnere mich, wir haben ja auch unsere autorinnen eingereicht
-
die haben aber nichts gewonnen, oder?
-
die waren halt textlich zu schlecht
-
die waren halt zu gefühlig
-
nur weil jemand eine frau ist, das wäre doch männerdiskriminierung!
-
da muss man auf lesereise gehen, da kann man nebenbei keine familie haben
-
da muss man anwesend sein, da kann man nebenbei keine kinder großziehen
-
frauen wollen doch wegen ihrer leistung anerkannt werden und nicht, weil sie frauen sind
-
“Nein, nicht die Frauen, Blödsinn. Die Frau ist etwas Großes.”
-
und was machen wir mit den ganzen männern? seine sprachgewalt!
-
wir haben doch frauen mitgemeint
-
wir haben sie doch unter den nominierten
-
nominiertinnen
-
haha!
-
frauenliteratur
-
in der jury sitzen nur
-
frauen!
-
tja, gleiches sucht gleiches
-
das ist sonst eine strafe für die falschen
-
nur weil ein paar frauen bevorzugt werden
-
frau-sein ist doch keine qualität
-
frau-sein ist doch keine leistung
-
und manche können wirklich auch schreiben
-
echt jetzt!
- nur an der performance müssten manche noch arbeiten.
SZENE 8 (long term effects)
- wir teilen uns eine bühne.
- ich muss aus dem gleichen wasserglas trinken
-
unsere füße stehen unter dem gleichen pult
-
und ihr müsst euch anlächeln
- auch wenn ich weiß
- aber ich sage natürlich nichts.
-
so einer kann doch gar nicht – kann ich mir nicht vorstellen.
-
jetzt sag doch mal, was passiert ist. also, du musst nicht. aber sag mal!
-
hast du denn mal darüber nachgedacht, mit ihm darüber zu reden?
-
vielleicht hat er es ja gar nicht so gemeint.
-
vielleicht musst du ihm erst erklären, was er falsch gemacht hat
-
ja, er ist eben aus einer anderen zeit
-
ja, damals war das halt noch nicht so…
-
da durfte man seine frau noch…
-
tja, da durfte man noch!
-
und überhaupt geht das eigentlich niemanden was an!
-
das muss man auch einfach trennen, privatleben und beruf. die literatur ist rein. von allem.
-
und er hat es nicht so gemeint
-
wir sollen dir von ihm sagen, dass es ihm leid tut
-
und dass er dich trotzdem noch mag
-
wir würden dich zur entschädigung bei uns veröffentlichen lassen
-
wir finden es ja so toll, was du machst
-
das hat potential
-
lass dich von sowas nicht runterziehen
-
schreib doch darüber!
-
aber vielleicht nichts wütendes
-
eher was fürs herz
-
bist du noch böse? ;)
-
ist ja schon eine weile her. man muss auch mal abschließen können damit!
- wisst ihr
- eigentlich wäre es mir lieber, ich hätte damals einfach nichts gesagt
- jetzt bin ich immer die, die etwas gesagt hat
- und alle meine texte sind von der geschrieben, die etwas gesagt hat
- ich habe das gefühl mich verloren zu haben.
- ein zweites mal
- ein drittes mal
- ein viertes mal
- ein fünftes
-
und nochmal
-
und nochmal
- und nochmal
- mich verloren zu haben...
SZENE 9 (ende. die wut über den betrieb)
- ich hab es gespürt.
-
so in der bauchgegend gespürt
-
hat sich angefühlt wie ein lachkrampf
-
nur mehr so ungerichtete wut
-
die sich da in mir ausgebreitet hat
-
so in der bauchgegend
- ich hielt es nicht aus, aber raum war auch keiner da
- ich hielt es nicht aus, aber sonst war niemand da
-
die wut
-
es gibt diese namen
-
zu denen können alle anderen namen etwas sagen
-
man war zusammen auf der lesebühne,
-
hat das letzte werk toll oder ganz furchtbar gefunden,
-
hat ein seminar bei name besucht,
-
hat vielleicht einen preis gewonnen bei dem name in der jury saß,
-
oder einen beitrag in names literaturzeitschrift veröffentlicht.
-
oft steht man dann mit ganz vielen namen zusammen
-
von denen man manche sehr gut, andere kaum kennt
-
und dann fällt names name
-
und dann sprechen alle über name im betrieb
- und ich weiß ganz genau was name auch getan hat
- ich kann es aber in dieser gruppe nicht zur sprache bringen
-
und niemand weiß
-
und jeder ahnt
-
und keinen würde es wundern
- wenn ich es benennen würde, aber
- mir fehlen die worte
- mir fehlen die worte, name als das zu benennen was er ist.
- wenn ich auf den namen von name stoße
-
sei es im internet
-
oder in einer anthologie
- spüre ich wieder dieses gefühl
-
diese wut
-
in der bauchgegend
- und manchmal muss ich dann kotzen.
-
manchmal müssen wir dann kotzen!
-
eigentlich sollten alle kotzen!
- (reale kotzgeräusche)
Events
23.04.2020, 18:30
TAG 1 – Literarische Denkfabrik „Politik und Gefühl“ als Online-Event
Konferenz / Performance / Lecture / Talk
24.04.2020, 10:00
Tag 2 – Literarische Denkfabrik „Politik und Gefühl“ als Online-Event
Konferenz / Performance / Lecture / Talk
25.04.2020, 11:00
Tag 3 – Literarische Denkfabrik „Politik und Gefühl“ als Online-Event
Konferenz / Performance / Lecture / Talk