Musik ist das größte Geschäft und gleichzeitig ein Raum der Revolte gegen den Status quo, die Regeln und Zwänge der Gesellschaft. Diese Ausgabe von The Art of Assembly befasst sich mit der dissidenten Seite der Musik, wie sie alternative Lebensweisen vorschlagen, Identitäten schaffen und Gefühle der Zugehörigkeit und Unterstützung fördern kann. Die Autorin Anne Hahn organisierte in der DDR Punk-Konzerte, verlor ihre Studienerlaubnis und wurde später inhaftiert: Ostdeutsche Subkulturen waren eine der wenigen Möglichkeiten, sich innerhalb des Systems ein Stück Freiheit zu verschaffen. Für den bildenden Künstler Phil Collins, der in den 70er und 80er Jahren in Nordengland aufgewachsen ist, war das Clubbing immer politisch. Er organisierte einen Disco-Tanzmarathon in Palästina, arbeitete mit Fans von The Smiths über drei Kontinente hinweg und veröffentlichte kürzlich ein Benefiz-Album mit House-Musik, die er mit ehemals inhaftierten Personen aufgenommen hatte. Die Sprachwissenschaftlerin und Autorin Reyhan Şahin alias Lady Bitch Ray – die prominenteste und umstrittenste deutschsprachige Rapperin – verlor vor fünfzehn Jahren ihren Job als Journalistin, weil ihre Texte als zu sexuell explizit angesehen wurden. Mit ihren Songs und Texten kämpft sie gegen Rassismus, Sexismus und Diskriminierung – und hat bewiesen, dass harter Rap und Feminismus durchaus zusammenpassen können.
Über die Reihe Gesellschaftsspiele: The Art of Assembly
Ob in Tunis, Kairo, Madrid, Lissabon, in Athen, New York, London oder Istanbul, in Tokio nach Fukushima, inmitten von Niemeyers ikonischer Parlamentsarchitektur in Brasília, unter den Regenschirmen in Hongkong, auf den Straßen von Minneapolis: Die weltweiten sozialen Bewegungen der letzten Jahre waren immer auch geprägt von der Suche nach alternativen Formen des Versammelns, des Argumentierens und des Entscheidens, des Aushandelns von Gemeinschaft und Gesellschaft. Solche Versammlungen wirken nicht nur durch ihre Forderungen. Sie verändern die Realität oft bereits dadurch, dass sie radikalere Modelle von Demokratie praktizieren.
Auch innerhalb der Künste gibt es ein erneutes Interesse an Konzepten der Versammlung und am Erzeugen öffentlicher Räume, in denen die Gesellschaft nicht nur gespiegelt, sondern konsequent ausprobiert, aufgeführt, getestet, anders gedacht oder gar neu erfunden wird: Gerichtsverhandlungen über Kunstfreiheit, Religion und Zensur; Tribunale über Ausbeutung und Gewalt; Gipfeltreffen über Klimawandel oder Kulturpolitik; Parlamente, in denen diejenigen sprechen, die sonst zum Schweigen gebracht werden … Insbesondere das Theater ist zu einer Bühne für Versammlungen auf dem schmalen Grat zwischen Kunst und Wirklichkeit geworden, zu einer demokratischen Arena der radikalen Imagination.
Doch welche Zukunft hat die Idee der Versammlung nach Monaten eines Ausnahmezustands, der so ziemlich alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens aus dem Takt gebracht hat? Gesellschaftsspiele: The Art of Assembly bringt Protagonist*innen aus verschiedenen Bereichen von Kunst, Politik und Theorie zusammen, um über die Zukunft der Versammlung zu spekulieren – in einer Zeit, in der wir gelernt haben, wie flüchtig Gewissheiten sein können, und in der jede Form des physischen Miteinanders prekär geworden ist.
Die Reihe Gesellschaftsspiele: The Art of Assembly basiert auf
Florian Malzacher, Gesellschaftsspiele. Politisches Theater heute, Berlin: Alexander Verlag, 2020, www.art-of-assembly.net.
Florian Malzacher ist freier Kurator, Dramaturg und Autor. Von 2012 bis 2017 war er künstlerischer Leiter des Impulse Theater Festivals (Düsseldorf, Köln und Mülheim an der Ruhr), davor sieben Jahre leitender Dramaturg/Kurator des Festivals steirischer herbst (Graz). Er (co-)kuratierte u. a. die Internationale Sommerakademie (Mousonturm Frankfurt, 2002 & 2004), „Dictionary of War“ (2006/07), „Truth is Concrete“ in Graz (2012), „Aneignungen“ im Ethnologischen Museum Berlin / Humboldt Lab (2015), „Artist Organisations International“ (HAU Berlin, 2015), „Vom Möglichkeitssinn“ zum Jahrestag der Russischen Revolution (St. Petersburg, 2017), „Training for the Future“ (mit Jonas Staal, Ruhrtriennale, 2018/19) und „Nach dem Beaufsichtigen der Maschinen“ (2020). Als Dramaturg arbeitete er u. a. mit Rimini Protokoll, Lola Arias (AR), Mariano Pensotti (AR) und Nature Theater of Oklahoma (US). Florian Malzacher ist Herausgeber und Autor zahlreicher Essays und Bücher zu Theater und Performance sowie zum Verhältnis von Kunst und Politik. Zuletzt erschien 2020 sein Buch Gesellschaftsspiele. Politisches Theater heute im Alexander Verlag Berlin.
Mit Judith Butler,Oliver Marchart, Chantal Mouffe, Antonio Negri, Sibylle Peters, Julia Ramírez-Blanco, Milo Rau, Oliver Ressler, Dana Yahalomi / Public Movement, Jodi Dean, Jonas Staal u. v. m. Kuratiert von Florian Malzacher. Eine Produktion von brut – Koproduktionshaus Wien GmbH. In Kooperation mit Goethe Institut – Performing Architecture, Münchner Kammerspiele, Wiener Festwochen, Kunsthalle Wien, Volksbühne (Berlin), BIT Teatergarasjen (Bergen), Theater Neumarkt (Zürich), NT Gent.
Eine Anmeldung ist nur nötig für den Besuch der Veranstaltung im brut nordwest. Der Livestream ist ohne Anmeldung auf brut-wien.at zugänglich.
brut nordwest / Online-Livestream: brut-wien.at
Nordwestbahnstraße 8-10, 1200 Wien
barrierefrei
Nordwestbahnstraße 8-10, 1200 Wien
U-Bahn: U1, U2 (Praterstern), U4 (Friedensbrücke), U6 (Dresdnerstraße) Tram: 5 (Nordwestbahnstraße) Bus: 5A (Wasnergasse)
nicht barrierefrei
Zieglergasse 25, 1070 Wien
U-Bahn: U3 (Zieglergasse), Tram: 49 (Westbahnstraße / Zieglergasse)
barrierefrei
Eschenbachgasse 11 / Ecke Getreidemarkt, 1010 Wien
U-Bahn: U4, U1 (Karlsplatz), Tram: 1, 2, D, 71 (Burgring), Bus: 57A (Getreidemarkt)