Während soziale Bewegungen die Realität oft bereits dadurch verändern, dass sie radikalere Modelle von Demokratie praktizieren, ist innerhalb der Künste insbesondere das Theater zu einer demokratischen Arena kollektiver Imagination geworden. Hier wird Gesellschaft ausprobiert und aufgeführt, anders gedacht oder neu erfunden. Doch welche Zukunft hat die Versammlung nach Monaten des Ausnahmezustands, wo jede Form physischen Miteinanders prekär geworden ist? Die Gesprächsreihe The Art of Assembly bringt Protagonist*innen aus Kunst, Politik und Theorie zusammen, um über die Zukunft der Versammlung zu spekulieren. In dieser außergewöhnlichen Ausgabe diskutieren der Philosoph und Soziologe Didier Eribon und die Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe mit dem Dramaturgen Florian Malzacher, wie viel Agonismus soziale Bewegungen aushalten können. Auch wenn die Bewegungen der letzten Jahre oft Laboratorien nicht-hierarchischer Strukturen und Konsens-Modelle waren, unterstreicht Chantal Mouffe die Notwendigkeit des Dissens und eines agonistischen Pluralismus. Didier Eribon reflektiert die Bedingungen und Grenzen sozialer Mobilisierungen und besteht auf der notwendigen Vielfalt von Bewegungen wie den gilet jaunes oder den Demonstrationen gegen Rassismus.
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Über die Reihe The Art of Assembly. Vorträge, Gespräche, Online-Plattform
Ob in Tunis, Kairo, Madrid, Lissabon, in Athen, New York, London oder Istanbul, in Tokio nach Fukushima, inmitten von Niemeyers ikonischer Parlamentsarchitektur in Brasília, unter den Regenschirmen in Hongkong, auf den Straßen von Minneapolis: Die weltweiten sozialen Bewegungen der letzten Jahre waren immer auch geprägt von der Suche nach alternativen Formen des Versammelns, des Argumentierens und des Entscheidens, des Aushandelns von Gemeinschaft und Gesellschaft. Solche Versammlungen wirken nicht nur durch ihre Forderungen. Sie verändern die Realität oft bereits dadurch, dass sie radikalere Modelle von Demokratie praktizieren.
Auch innerhalb der Künste gibt es ein erneutes Interesse an Konzepten der Versammlung und am Erzeugen öffentlicher Räume, in denen die Gesellschaft nicht nur gespiegelt, sondern konsequent ausprobiert, aufgeführt, getestet, anders gedacht oder gar neu erfunden wird: Gerichtsverhandlungen über Kunstfreiheit, Religion und Zensur; Tribunale über Ausbeutung und Gewalt; Gipfeltreffen über Klimawandel oder Kulturpolitik; Parlamente, in denen diejenigen sprechen, die sonst zum Schweigen gebracht werden … Insbesondere das Theater ist zu einer Bühne für Versammlungen auf dem schmalen Grat zwischen Kunst und Wirklichkeit geworden, zu einer demokratischen Arena der radikalen Imagination.
Doch welche Zukunft hat die Idee der Versammlung nach Monaten eines Ausnahmezustands, der so ziemlich alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens aus dem Takt gebracht hat? Gesellschaftsspiele: The Art of Assembly bringt Protagonist*innen aus verschiedenen Bereichen von Kunst, Politik und Theorie zusammen, um über die Zukunft der Versammlung zu spekulieren – in einer Zeit, in der wir gelernt haben, wie flüchtig Gewissheiten sein können, und in der jede Form des physischen Miteinanders prekär geworden ist.
Die Reihe The Art of Assembly basiert auf
Florian Malzacher, Gesellschaftsspiele. Politisches Theater heute, Berlin: Alexander Verlag, 2020, www.art-of-assembly.net
Florian Malzacher ist freier Kurator, Dramaturg und Autor. 2012-2017 war er Künstlerischer Leiter des Impulse Theater Festivals (Düsseldorf, Köln und Mülheim/Ruhr), davor sieben Jahre Leitender Dramaturg/Kurator des Festivals steirischer herbst (Graz). Er (ko)kuratierte u. a. die Internationalen Sommerakademie (Mousonturm Frankfurt, 2002 & 2004), „Dictionary of War“ (2006/07), „Truth is Concrete“ in Graz (2012), „Aneignungen“ im Ethnologischen Museum Berlin/Humboldt Lab (2015), „Artist Organisations International“ (HAU Berlin, 2015), „Vom Möglichkeitssinn“ zum Jahrestag der Russischen Revolution (St. Petersburg, 2017), „Training for the Future“ (mit Jonas Staal, Ruhrtriennale 2018/19), und „Nach dem Beaufsichtigen der Maschinen“ (2020). Als Dramaturg arbeitete er u.a. mit Rimini Protokoll, Lola Arias (ARG), Mariano Pensotti (ARG) oder Nature Theater of Oklahoma (USA). Florian Malzacher ist Herausgeber und Autor zahlreicher Essays und Bücher zu Theater und Performance, sowie zum Verhältnis von Kunst und Politik. Zuletzt erschien 2020 sein Buch Gesellschaftsspiele. Politisches Theater heute im Alexander Verlag Berlin.
Mit Didier Eribon Chantal Mouffe, Sibylle Peters, Julia Ramírez-Blanco, Milo Rau, Oliver Ressler, Dana Yahalomi / Public Movement, Jodi Dean, Jonas Staal u.v.m. Kuratiert von Florian Malzacher. Eine Produktion von brut – Koproduktionshaus Wien GmbH. In Zusammenarbeit mit Münchner Kammerspiele und Wiener Festwochen.
Halle G im Museumsquartier
Museumsplatz 1, 1070 Wien