Die Energie des Körpers neben dem Körper. Die Aufregung des Spiels. Siege, Niederlagen, Gefühlsausbrüche. Rufen, Singen, Schreien, Freude und Wut – manchmal bis an den Rand der Gewalt. Elitesportveranstaltungen bringen Menschenmassen über Ländergrenzen hinweg zusammen, sie sind Zusammenkünfte mit einer immensen persönlichen Bedeutung für viele und gleichzeitig hochpolitische Milliardengeschäfte, die auf maximale Gewinne an den Grenzen der Legalität getrimmt sind. Diese Ausgabe von The Art of Assembly findet 50 Jahre nach den Olympischen Spielen in München statt, inmitten des legendären Olympiaparks, der als offener, demokratischer und egalitärer Raum gedacht war, aber sofort in den Abgrund der Weltpolitik gezogen wurde.
Die Künstlerin und queer Aktivistin Z. Blace geht der Frage nach, wie Sportereignisse in den Besitz der Gemeinschaft übergehen, antinationalistisch, antinormativ, geschlechtergerecht und eine emanzipatorische Erfahrung im Sinne des Geschlechts sein können. Caitlin Davis Fisher, eine ehemalige Profisportlerin, arbeitet als Bewegungsforscherin, Künstlerin und Aktivistin zu den Themen Gender, Arbeit, Körper und Community Organizing im/mit/durch Fußball. Der Experte für Fankultur und Sozialarbeiter Michael Gabriel gibt einen Einblick in die kulturellen Praktiken der ULTRAS, die mit ausgefeilten Choreografien und dem Selbstbewusstsein der Massen Straßen und Stadien für sich beanspruchen.
Das Event findet im Rahmen von „Soft Democracies“, einem Projekt von raumlaborberlin im Rahmen des 50. Jahrestages der Olympischen Spiele 1972 in München, organisiert vom Kulturreferat der Stadt München, statt.
Ob in Tunis, Kairo, Madrid, Lissabon, in Athen, New York, London oder Istanbul, in Tokio nach Fukushima, inmitten von Niemeyers ikonischer Parlamentsarchitektur in Brasília, unter den Regenschirmen in Hongkong, auf den Straßen von Minneapolis: Die weltweiten sozialen Bewegungen der letzten Jahre waren immer auch geprägt von der Suche nach alternativen Formen des Versammelns, des Argumentierens und des Entscheidens, des Aushandelns von Gemeinschaft und Gesellschaft. Solche Versammlungen wirken nicht nur durch ihre Forderungen. Sie verändern die Realität oft bereits dadurch, dass sie radikalere Modelle von Demokratie praktizieren.
Auch innerhalb der Künste gibt es erneut ein Interesse an Konzepten der Versammlung und am Erzeugen öffentlicher Räume, in denen die Gesellschaft nicht nur gespiegelt, sondern konsequent ausprobiert, aufgeführt, getestet, anders gedacht oder gar neu erfunden wird: Gerichtsverhandlungen über Kunstfreiheit, Religion und Zensur; Tribunale über Ausbeutung und Gewalt; Gipfeltreffen über Klimawandel oder Kulturpolitik; Parlamente, in denen diejenigen sprechen, die sonst zum Schweigen gebracht werden … Insbesondere das Theater ist zu einer Bühne für Versammlungen auf dem schmalen Grat zwischen Kunst und Wirklichkeit geworden, zu einer demokratischen Arena der radikalen Imagination.
Doch welche Zukunft hat die Idee der Versammlung nach Monaten eines Ausnahmezustands, der so ziemlich alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens aus dem Takt gebracht hat? Gesellschaftsspiele: The Art of Assembly bringt seit Herbst 2020 regelmäßig Protagonist*innen aus verschiedenen Bereichen von Kunst, Politik und Theorie zusammen, um über die Zukunft der Versammlung zu spekulieren – in einer Zeit, in der wir gelernt haben, wie flüchtig Gewissheiten sein können, und in der jede Form des physischen Miteinanders prekär geworden ist.
Florian Malzacher ist freier Kurator, Dramaturg und Autor. Von 2012 bis 2017 war er Künstlerischer Leiter des Impulse Theater Festivals (Düsseldorf, Köln und Mülheim/Ruhr), davor sieben Jahre Leitender Dramaturg / Kurator des Festivals steirischer herbst (Graz). Er (co-)kuratierte u. a. die Internationale Sommerakademie (Mousonturm Frankfurt, 2002 und 2004), Dictionary of War (2006/07), Truth is Concrete in Graz (2012), Aneignungen im Ethnologischen Museum Berlin / Humboldt Lab (2015), Artist Organisations International (HAU Berlin, 2015), Vom Möglichkeitssinn zum Jahrestag der Russischen Revolution (St. Petersburg, 2017), Training for the Future (mit Jonas Staal, Ruhrtriennale, 2018/19) und Nach dem Beaufsichtigen der Maschinen (2020). Als Dramaturg arbeitete er u. a. mit Rimini Protokoll, Lola Arias (ARG), Mariano Pensotti (ARG) oder Nature Theater of Oklahoma (USA). Florian Malzacher ist Herausgeber und Autor zahlreicher Essays und Bücher zu Theater und Performance sowie zum Verhältnis von Kunst und Politik. Zuletzt erschien 2020 sein Buch Gesellschaftsspiele. Politisches Theater heute im Alexander Verlag Berlin.
Die Reihe The Art of Assembly basiert auf Florian Malzacher, Gesellschaftsspiele. Politisches Theater heute, Berlin: Alexander Verlag, 2020, www.art-of-assembly.net.
Bisherige Gäste Didier Eribon, Chantal Mouffe, D‘Souza & Sibylle Peters, Eduard Freudmann, Gin Müller, Heidrun Primas, Philine Rinnert, Claudia Bosse, The Church of Stop Shopping, Alia Mossallam, Jonas Staal, Jodi Dean, Oliver Ressler, Julia Ramírez-Blanco, Oliver Marchart, Dana Yahalomi. Zukünftige Gäste u. a. Nora Sternfeld u.a. andcompany&Co., School of Activism / NT Gent mit Milo Rau u.v.m.
The Art of Assembly – Gesellschaftsspiele, eine Reihe von Florian Malzacher und brut Wien, in Kooperation mit Münchner Kammerspiele, Wiener Festwochen, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz (Berlin), BIT Teatergarasjen / METEOR 2021, Kunsthalle Wien, NT Gent, Theatre Academy Uniarst Helsinki und Goethe-Institut / Performing Architecture.
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